In den vergangenen Monaten erreichten uns immer wieder Anfragen bezüglich der Erosion an Windenergieanlagen. Leider gibt es auch vermehrt Medienbeiträge, in denen das Thema stark verzerrt dargestellt wird oder sogar eine Fülle von falschen Informationen genannt werden.
In diesem Beitrag soll daher ein möglichst sachlich fundierter und dennoch leicht verständlicher Überblick zu dem Thema gegeben werden.
Verschiedene Gesichtspunkte
Es gibt zwei wesentliche Perspektiven bei der Betrachtung des Themas:
Bestehen Rotorblätter aus giftigen Chemikalien?
Rotorblätter bestehen aus wenigen Grundmaterialien, welche in Sandwichbauweise (also Schicht für Schicht) miteinander kombiniert werden. Als Sandwichkern kommen Kunststoffschäume oder Balsaholz zum Einsatz.
Die Schale des Rotorblattes besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Kohlenstofffasern werden wegen ihres hohen Preises nur in geringem Maße in Rotorblättern eingesetzt. So bestehen die sogenannten „Gurte“ bei manchen Rotorblättern aus Kohlenstofffasern. Erosion findet allerdings nur an der „Vorderkante“ des Blattes statt, wo Regentropfen und Teilchen in der Luft mit hoher Geschwindigkeit auf das Blatt prallen. In diesem Bereich sind keine Kohlefasergurte installiert.
Daher ist es vollkommen irreführend, wenn teilweise berichtet wird, kleinste Kohlefaserpartikel würden von Windrädern in die Umwelt gelangen. Diese Emission findet gar nicht statt. Erosion geschieht nur an der Vorderkante der Blätter und dort sind nie Kohlefasern verbaut.
Die Verstärkungsfasern sind in einer Kunststoffmatrix eingebettet. Es handelt sich dabei entweder um Epoxidharz oder ungesättigtes Polyesterharz. Bei der Verarbeitung dieser Harze im flüssigen Zustand ist auf eine strikte Einhaltung des Gesundheitsschutzes zu achten. Im ausgehärteten Zustand sind sie jedoch vollkommen ungiftig. Daher sind diese Materialien auch beliebt im Hobby- und Kreativbereich. [1][2]
Zum Schutz vor Umwelteinflüssen ist das gesamte Rotorblatt mit einer Oberflächenbeschichtung versehen. Diese besteht aus einem Decklack, z. B. auf Basis von Polyurethan oder Epoxidharz. Teilweise werden auch sogenannte Gelcoats auf Basis von ungesättigtem Polyester verwendet. Auch diese Beschichtungen besitzen im ausgehärteten Zustand keine gesundheitsschädlichen Eigenschaften. [1] [3]
Wie viel Material wird durch Erosion abgetragen?
Niemand hat bisher den Abrieb von Rotorblättern tatsächlich aufgefangen und gewogen. Es ist unklar, wie eine solche Untersuchung überhaupt praktisch gelingen könnte. Die Menge des abgetragenen Materials kann jedoch anhand des Schadensbildes abgeschätzt werden.
Wie erwähnt findet Erosion nur an der Vorderkante des Rotorblattes statt. Es ist sozusagen die Flanke, welche mit hoher Geschwindigkeit durch die Luft schneidet. Man kann die betroffene Oberfläche sogar noch genauer eingrenzen. Tatsächlich ist nur etwa das äußere Drittel der Vorderkante (nahe der Blattspitze) von Erosion betroffen [siehe Abb. 2]. Die Umfangsgeschwindigkeit ist in diesem Bereich nämlich am größten. Denn die Spitze des Rotorblattes legt pro Sekunde einen viel größeren Weg zurück als beispielsweise der Flansch. Daher prallen Partikel nahe der Blattspitze mit der höchsten Geschwindigkeit auf das Blatt und die Erosion ist dort am größten.
cp.max hat in den vergangenen 25 Jahren Rotorblätter vieler tausend Windenergieanlagen in aller Welt inspiziert und repariert. Bei diesen Arbeiten haben wir natürlich auch viel Erfahrung über die Größe und Ausprägung von Erosionsschäden gesammelt. Diese Erkenntnisse sind die Grundlage für folgende Berechnung.
Ausgangswerte:
Massenverlust einer Windenergieanlage in 20 Jahren:
m = 20 m * 0,15 m * 0,005 m * 3 Blätter * 1500 kg/m³
= 68 kg Erosion pro Windenergieanlage in 20 Jahren
= 3,4 kg Erosion pro Windenergieanlage in einem Jahr
Es fällt auf, dass dieser Wert viel geringer ist als viele Behauptungen, welche man aktuellen Diskussionen entnehmen kann. (Teilweise wird dort von über 100 kg pro Anlage und Jahr gesprochen.) [5]
Jeder, der bereits zahlreiche Erosionsschäden an Rotorblättern gesehen hat, wird diese einfache hier dargestellte Rechnung nachvollziehen können. Und selbst wenn diese Schätzung etwas zu niedrig ausgefallen sein sollte, so stimmt die Größenordnung mit der Realität überein.
Demgegenüber bleiben Quellen, welche teils mehr als 30-fach höhere Erosionsmengen angeben einen Nachweis schuldig.
In eigener Sache:
Natürlich könnte man cp.max, als Vertreter der Windbranche mangelnde Objektivität vorwerfen. Wir möchten aber faktenbasiert über Themen der Windenergie aufklären. Wir leugnen nicht, dass auch die Umwandlung der Windenergie in Strom verschiedene negative Einflüsse auf die Umwelt hat (wie fast jedes menschliche Handeln). Trotzdem ist die Windenergie zusammen mit anderen erneuerbaren Energiequellen eine der umweltfreundlichsten und kosteneffizientesten Arten der Energieerzeugung. Anders ausgedrückt: Wir haben momentan keine umweltfreundlichere Alternative zur Energieversorgung. Und kein fossiles Kraftwerk kommt an die Sauberkeit von Windrädern heran.
[1] https://www.umwelt-online.de/recht/arbeitss/uvv/bgi/655a.htm
[2] https://epoxid1.de/
[3] https://www.bfr.bund.de/cm/343/XXVIII-Vernetzte-Polyurethane-als-Klebeschichten-fuer-Lebensmittelverpackungsmaterialien.pdf
[4] https://windenergietage.de/2021/wp-content/uploads/sites/6/2021/11/29WT11_F17_1320_KWE_Erosion-am-Rotorblatt_Liersch.pdf
[5] https://blackout-news.de/aktuelles/die-unsichtbare-umweltbelastung-durch-den-abrieb-an-windkraftanlagen/
[6] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ciuz.202100012
Weiterführende Informationen
Faktencheck vom Bundesverband Windenergie:
https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/Aktuelles/Faktenchecks/20240801_BWE-Faktencheck_-_Erosion_an_Rotorblaettern.pdf